Wenn Kaffeetrinken Angst macht…
15. September 2010 von Riedel
Kaffee soll wach machen oder beim Entspannen helfen. Kaum ein Büro kommt ohne Kaffeemaschine aus. Aber einige Menschen bekommen regelrechte Angstgefühle, wenn sie eine Tasse Kaffee getrunken haben. Woran das liegt und was mach dagegen machen kann, erfahren Sie hier.
Kaffee ist und bleibt das Lieblingsgetränk in Deutschland. Im letzten Jahr wurden nach Angaben des Deutschen Kaffeeverbands rund 1,3 Milliarden (in Zahlen 1300000000) Tassen Kaffee getrunken. Umgerechnet wären das rund 150 Liter Kaffee pro Person, die man über das Jahr hinweg verteilt getrunken hätte. Kinder, Senioren und Kaffeeabstinenzler mit eingerechnet.
Kaffe wird ebenso wie ebenso wie Tee, Kakao und Cola für seine teils anregende Wirkung geschätzt. Wer es allerdings damit übertreibt, kann auch gesundheitliche Probleme bekommen. Eine Überdosis Koffein kann zu Herzrasen, Schweißausbrüchen, Unruhe, Schlafstörungen und Zittern führen. Solange man es aber nicht übertreibt, ist Kaffee sogar gesund.
Gene machen Angst
Doch nicht für jeden ist Kaffee ein Genuss. Do mancher klagt sogar über regelrechte Angstzustände nachdem man eine Tasse Kaffee getrunken hat. Was für die Kaffee-Fans kaum glaublich klingt, liegt an einer seltenen Gen-Variante, die manche Menschen in ihrem Erbgut tragen. Bei ihnen wird durch Koffein ein Angstgefühl ausgelöst, das bei regelmäßigem Kaffee-Konsum aber abgeschwächt wird.
Würzburger Wissenschaftler unter der Leitung des Psychiaters Professor Jürgen Deckert haben mit einer Arbeitsgruppe um Peter Rogers von der Universität Bristol jetzt herausgefunden, dass das Ausmaß der Ängstlichkeit auch von der Regelmäßigkeit des Kaffeegenusses abhängt. Über ihre Arbeit berichtet die Fachzeitschrift Neuropsychopharmacology in ihrer neuesten Ausgabe.
Veränderungen im Erbgut sind der Auslöser
Dass manche Menschen mit Angst auf Kaffee reagieren, liegt an einer seltenen Gen-Variante. Normalerweise dockt der Botenstoff Adenosin in bestimmten Bereichen des Gehirns an diesen Rezeptor an und löst damit eine beruhigende Reaktion aus. Ist das Rezeptor-Gen jedoch verändert, kann Koffein das Adenosin verdrängen und somit dessen beruhigende Wirkung verhindern. Damit jemand von diesem Phänomen betroffen ist, muss er das Gen aber von Vater und Mutter vererbt bekommen haben. Die Wahrscheinlichkeit, davon betroffen zu sein, ist also sehr gering.
Auf die Dosis kommt es an
Die Angstreaktion trat auch nur dann auf, wenn die Versuchspersonen eine mittlere Dosis Koffein zu sich nahmen – nämlich 150 Milligramm, das entspricht in etwa zwei Tassen Kaffee. Bei einer niedrigeren Dosis (50 Milligramm) reagierte keine der Versuchspersonen mit Angst, bei einer hohen Dosis (400 Milligramm) hingegen zeigten alle Versuchspersonen eine erhöhte Ängstlichkeit – so das Ergebnis einer weiteren Untersuchung mit Wissenschaftlern der Universität Chicago. Die genetische Variation ist also nur im mittleren Dosisbereich für die Entwicklung von Angst relevant.
„Das Ergebnis überrascht nicht. Ähnliche Verläufe findet man auch in anderen Bereichen“, sagt Deckert. Ein Beispiel: Bei einem Liebesfilm fürchtet sich normalerweise kein Zuschauer, bei einem Horrorfilm jeder. Bei der „mittleren Dosis“ – einem Krimi – verspüren nur diejenigen Angst, die dafür empfindlich sind.
Regelmäßiger Konsum macht unempfindlich
Wer einmal mit Angst auf Kaffee reagiert, muss dies aber nicht sein Leben lang tun. „Wir sind in unserer jüngsten Untersuchung zusammen mit Peter Rogers von der Universität Bristol der Frage nachgegangen, ob sich die Höhe des täglichen Koffeinkonsums der Probanden auf den Geneffekt auswirkt“, sagt Deckert. Dabei zeigte sich: Bei Menschen, die regelmäßig eine mittlere oder hohe Dosis Koffein zu sich nahmen, ist der Geneffekt schwächer. Mit anderen Worten: „Wahrscheinlich kann sich die anlagebedingte Unverträglichkeit bei schrittweiser Steigerung der Dosis und regelmäßigem Konsum zurückbilden“, sagt der Mediziner. Deckert wertet das Ergebnis dieser Untersuchungen als weiteren Beleg dafür, wie komplex Gen-Umwelt-Interaktionen sein können.
Diese komplexen Interaktionen von Koffein und anderen indirekt auf den Adenosin-A2A-Rezeptor einwirkenden Substanzen werden zur Zeit von den Würzburger Forschern in Kooperation mit einer Münsteraner Arbeitsgruppe um Katharina Domschke im Rahmen des Sonderforschungsbereiches SFB TRR 58 „Furcht, Angst, Angsterkrankungen“ untersucht. Dafür werden noch freiwillige Teilnehmer gesucht. Die Probanden sollten gesund und zwischen 18 und 65 Jahre alt sein. Sie können sich bei Interesse melden unter T: (0931) 312687 oder E-Mail: mega@psychologie.uni-wuerzburg.de .
„Association of the Anxiogenic and Alerting Effects of Caffeine with ADORA2A and ADORA1 Polymorphisms and Habitual Level of Caffeine Consumption”, Peter J Rogers, Christa Hohoff, Susan V Heatherley, Emma L Mullings, Peter J Maxfield, Richard P Evershed, Jürgen Deckert and David J Nutt. Neuropsychopharmacology (2010) 35, 1973–1983, doi:10.1038/npp.2010.71
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